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AutorenbildHanna Neunzig

B9 oder Folat oder Folsäure – wie heißt dieses grüne Vitamin denn nun richtig?


Haferflocken, Brokkoli, grüner Blattsalat, Spinat, Kohl, Eier, Leber und Hülsenfrüchte haben eins gemeinsam. Sie sind eine gute Quelle für Folat. Dieses besondere Vitamin mit gleich 3 Namen. In den folgenden Zeilen erfährst Du die Gründe, warum ich nach Vitamin D auf B9 eingehe. Mein besonderes Interesse an dem Vitamin wurde durch meinen Professor für Pathophysiologie der Ernährung 2006 geweckt. Mit vollster Hingabe berichtete, dieser damals schon sehr alte Professor, über dieses so exotisch klingende Vitamin – hinter dessen Namen man nicht auf Anhieb ein Vitamin vermuten würde. Seine Profession richtete sich auf die Forschung und Entwicklung einer Antibabypille mit zugesetzter Folsäure. – Klingt zunächst sonderbar. Ein Zusammenhang zwischen einem Vitamin und einem Verhütungsmittel? Da wirst Du Dich vielleicht nun fragen: „Weshalb?“

In den nächsten Zeilen erfährst Du, was es damit auf sich hat und warum Folat viel mehr „in unser aller Munde“ sein sollte.


# 1 – Folat oder Folsäure, wie heißt es denn nun richtig?

Folat steht für verschiedene B9 Vitamine/Äquivalente, die in der Nahrung natürlicherweise vorkommen. Folsäure bezeichnet die synthetische Form, die ich als Präparat in der Apotheke kaufen kann. Der Vorteil der Folsäure gegenüber seinem „echten“ Verwandten ist, dass es eine höhere Resorptionsquote besitzt, hitzestabiler, lichtunempfindlicher und länger haltbar ist. Folsäure wird häufig Lebensmitteln zugesetzt. Der Begriff Folsäure wird Dir vermutlich geläufiger sein.


# 2 – Welche Aufgaben/Funktionen hat Folsäure im Körper?

Folat dient als Cofaktor verschiedener enzymatischer Reaktionen. Das sind vor allem solche Reaktionen, die mit Wachstum und Entwicklung zu tun haben, kurz um: DNA und RNA Bildung. (Hanna, echt jetzt? Was ist das denn wieder für eine Abkürzung?) Erklärung: DNA besser DNS, steht für Desoxyribonukleinsäure und ist unser Erbgut. Das A steht im englischen für Acid = Säure. Wer also ein gesundes Erbgut haben möchte, braucht eben auch immer etwas Folsäure zur richtigen Bauplanerstellung und -bildung. Apropos Bildung: auch an der Gehirnentwicklung ist Folsäure maßgeblich beteiligt.

Besonderes Augenmerk ist auf die Zellerneuerung bzw. Zellteilung und Blutbildung im Knochenmark zu legen. Das erklärt auch die Relevanz des Folats in Bezug auf Schwangerschaft, Kindheit und Jugend. Aber dazu später mehr (s. unter # 5).

B9 sorgt für eine reibungslose Zellneubildung. Merke ich das überhaupt? Oh ja! Wer schon einmal Folsäure supplementiert hat, hat vielleicht festgestellt, dass er weniger müde und erschöpft ist. Das liegt daran, dass Folsäure auch Einfluss auf die Bildung roter Blutkörperchen hat. Werden mehr gute und leistungsstarke Erythrozyten gebildet, kann mehr Sauerstoff transportiert werden. Vorausgesetzt, ich habe genügend Eisen im Blut. Aber das soll ein anderes Thema sein. Jedenfalls fühle ich mich nach der Supplementation fit und leistungsstark. Im Knochenmark werden mithilfe von Folsäure auch Immunzellen gebildet. Ist die Aufnahme von Folsäure zu gering, ist deren Bildung gestört und die Zellzahl entsprechend erniedrigt. Im Deutschen Lebensmittelrecht gibt es zu diesem Thema einen zugelassenen „Health Claim“ (aka = eine gesundheitsbezogene Angabe). Diese finden wir dann auf Lebensmittel- bzw. Nahrungsergänzungsmittelverpackungen. Sie besagt: „Folsäure trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“.

Und nun wird es auch für Erkrankte relevant: Das Unwort lautet Homocystein. Je höher mein Homocysteinspiegel im Blut ist, desto geringer ist mein Folsäurespiegel und umgekehrt. Der Homocysteinwert gibt Aufschluss, ob ich gut mit Folsäure versorgt bin oder nicht. Um Homocystein zu bekämpfen, bedarf es zweier weiterer Vitamine: B12 und B6.

# 3 – Was ist Homocystein? Ich habe noch nie was davon gehört…

Dann erkläre ich Dir gerne, was es damit auf sich hat. Homocystein gilt als ein Risikofaktor für die Entstehung von Herzkreislauferkrankungen, Osteoporose, Demenzformen und chronischen Schmerzen. Es ist ein zellgiftiges Zwischenprodukt im Eiweißstoffwechsel und entsteht beim Abbau der schwefelhaltigen Aminosäure Methionin. Diese Aminosäure kommt vor allem in tierischen Lebensmitteln vor. Wer also viele tierische Lebensmittel isst, nimmt auch mehr dieser schwefelhaltigen Aminosäure auf. Homocystein ist giftig für die Zelle und wird eigentlich direkt eliminiert bzw. abgebaut. Dazu braucht der Körper aber das Vitamin B6. Vitamin B12 und Folsäure sorgen in einem anderen Regelkreis wiederum dafür, dass Homocystein zu Methionin aufgebaut wird. So dient Methionin der Zelle zur Eiweißsynthese.

Leider lagert sich dieses doofe Homocystein allzu gerne an Gefäßwänden ab. Das führt nicht selten zu Arteriosklerose (= Arterienverkalkung). Neben dem Einfluss auf das Herz-Kreislaufsystem leidet auch das Gehirn unter einem erhöhten Homocysteinspiegel. Degenerative Erkrankungen des Gehirns, wie einige Demenzformen und kognitive Störungen, werden eben auch in Zusammenhang mit hohen Homocystein-Werten gebracht. Also bemühe Dich darum, ausreichend Folat aufzunehmen, damit senkst Du effektiv den Homocysteinspiegel. Der Arzt untersucht die Homocysteinwerte im Plasma. Bei einem erhöhten Wert (> 15 Mikromol pro Liter) leitet er eine Intervention mit B-Vitaminen (Folsäure, B12 und B6) durch. Da sie einen sicheren Einfluss auf die Homocystein-Konzentration im Blut haben.


# 4 – „Butter bei die Fische“: Wie nehme ich am besten Vitamin B9 auf?

Folium kommt aus dem lateinischen und heißt Blatt. Das lässt den Rückschluss zu, dass Folat vor allem in Blättern (Salat, Kohl und grünes Blattgemüse) vorkommt. Dem ist tatsächlich so. Darüber hinaus steckt Folat noch in Eiern, Leber, Hülsenfrüchten, Getreideprodukten und Kartoffeln. Das klingt eigentlich vielversprechend, wäre da nicht das Wort „eigentlich“. Denn leider gehen etwa die Hälfte der Gehalte durch „Zubereitungsfehler“ verloren. Nicht ohne Grund empfiehlt die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) drei Portionen Gemüse (400 g) und 4 Portionen Getreide. Damit gehst Du auf Nummer sicher, wenn es um die adäquate Zufuhrmenge geht. Nun aber Hand auf’s Herz! Nimmst Du täglich diese vorgeschlagenen Portionsmengen auf? Laut der Nationalen Verzehrsstudie II liegt die tägliche mittlere Zufuhr an B9, bei den Deutschen, bei rund 250 Mikrogramm. Die Empfehlung der DACH Referenzwerte liegt allerdings bei 300 Mikrogramm pro Tag. Das heißt nicht, dass deswegen jeder einen Mangel hat, aber es begünstigt die Entstehung einer Unterversorgung. Bei Schwangeren oder Frauen, die gerne schwanger werden möchten, fällt die Beurteilung allerdings etwas anders aus.


# 5 – Folat, Folsäure und Schwangerschaft – was ändert sich da?

In der Schule, in der ich unterrichte, habe ich viele junge Frauen als Schülerinnen. Dort ist es mir eine besondere Herzensangelegenheit über die Relevanz von Folsäure als Supplement in der Kinderwunschphase zu sprechen. Vielen gebärfähigen Frauen ist oft nicht bewusst, wie wichtig Folsäure für sie und das Baby ist. Denn eine inadäquate Versorgung von Folat in der Frühschwangerschaft führt zu einem erhöhten Risiko von Fehl- oder Frühgeburten. Manche Frau wird jetzt denken: „Nun gut, dann nehme ich halt Folsäure als Supplement, wenn ich schwanger bin. Passt doch!“ Dann müsste ich leider sagen: Eventuell ist es dann schon zu spät für die Entwicklung des Kindes. Warum dem so ist, erkläre ich Dir in den nächsten Zeilen: Folsäure hilft nachweislich Defekte am Neuralrohr (Fehlbildung von Gehirn und Rückenmark) zu verhindern. Das Neuralrohr bleibt geöffnet, es nennt sich Spina bifida oder offener Rücken. Es geht einher mit starken Fehlbildungen, Nichtentwicklungen des Gehirns oder führt sogar zum Abort. Die Folsäure wird für die Zellteilung und das Zellwachstum im fetalen Stadium dringend benötigt.


Und nun zu der Berechnung: Das Neuralrohr schließt sich um den 28ten Tag nach der Befruchtung. Laut Schwangerschaftsrechner ist eine Frau dann in Schwangerschaftswoche 7. Für alle, die sich mit weiblichen Zyklen jetzt nicht so auskennen: Am 14ten Zyklustag (bei einem 28-tägigen Zyklus) findet eine Befruchtung statt. Das ist laut Schwangerschaftsrechner SSW 3. In SSW 1 und 2 war die Frau also noch gar nicht schwanger. Ein gängiger, freiverkäuflicher Schwangerschaftstest wird ab Schwangerschaftswoche 5 positiv ausfallen und eine bestätigte Schwangerschaft erhält die Frau vom Gynäkologen meist um SSW 7. Der Gyn ordnet dann auch umgehende Supplementation an und empfiehlt Präparate zur Nahrungsergänzung in der Schwangerschaft. Denn es sind noch sehr viele andere Nährstoffe relevant. Aber, trotz der gut gemeinten Absicht, ab dann mit der Supplementation zu beginnen, ist es dennoch zu spät für eine Folsäure-Prophylaxe. Meine Frauenärztin hatte mir schon (da war bei mir noch kein Kinderwunsch vorhanden) in den Ohren gelegen, ich solle supplementieren. Man wüsste ja nie. Manches Mal dachte ich, sie wird von meiner Mutter und Schwiegermutter für diese Aussage bestochen. Auf Basis dieser biochemischen Vorgänge im Uterus einer schon schwangeren Frau, empfehlen auch alle Fachgesellschaften einheitlich, eine Folsäuresupplementation ab Kinderwunsch.

Es gelten folgende Empfehlungen:

  • Bei Kinderwunsch: 300 Mikrogramm Folat über die Nahrung und 400 Mikrogramm Folsäure über Supplemente;

  • Bei vorliegender Schwangerschaft im ersten Trimester: 550 Mikrogramm Folat und 400 Mikrogramm Folsäure über Supplemente;

  • Bei vorliegender Schwangerschaft ab dem zweiten Trimester: 550 Mikrogramm Folat (gezielter Verzehr folatreicher Lebensmittel);

  • Stillende 450 Mikrogramm Folat (gezielter Verzehr folatreicher Lebensmittel);

Wenn Du nun denkst, "Hach, ich möchte gar keine Kinder bekommen" oder "bei mir ist die Kinderplanung entgültig abgeschlossen", dann bedenke bitte (sofern keine medizinischen Eingriffe erfolgten), dass eine Schwangerschaft durchaus auch ohne vorhandenen Kinderwunsch möglich ist. Gibt es nicht viele Geschichten, die Du kennst, wie es „dann doch ausversehen passiert ist“. Dementsprechend kannst du Folsäure auch supplementieren, wenn Du nicht genügend Folat über die Nahrung aufnimmst.



# 6 – was war das jetzt noch mal mit der Anti-Baby-Pille und Folat? Der Zusammenhang erschließt sich nicht auf den ersten Blick, das ist klar. Aber jetzt kommt der Knaller: Die Anti-Baby-Pille dient in erster Linie der Verhütung einer ungewollten Schwangerschaft – hast Du’s gewusst? (Scherz beiseite). Was Du sicher nicht wusstest (ich auch nicht, wäre da nicht dieser tolle Professor gewesen), die Anti-Baby-Pille hemmt die Resorption der mit der Nahrung aufgenommenen Folate. BAM! Heißt im Klartext, wenn Du die Pille nimmst, werden Deine Folat-Reserven im Körper kleiner sein, als die von den Frauen, die keine Pille nehmen. Und jetzt kommt noch eins oben drauf: Wenn Du schwanger werden möchtest, wird Dir oft erzählt, dass Du im ersten Zyklus nach der Pille nicht schwanger werden kannst. Ich sag es Dir, wie es ist: Kannst Du doch! Und dann hast Du möglicherweise sehr niedrige Folatplasmaspiegel. Und das wiederum ist schlecht für den Embryo in Deinem Bauch (s. # 5). Also auch hier ganz klar die Empfehlung: Supplementiere besser schon während Du die Pille noch nimmst.

# 7 – ich bin erkrankt und möchte Folsäure supplementieren, macht das Sinn?

Nun ja, dazu muss ich erst einmal Deine Erkrankung kennen. Schaue unter # 3 noch mal was da zum Thema Homocystein steht. Denn Folsäure kann positiv auf den Homocysteinspiegel wirken. Wir wissen, dass bei Alkoholmissbrauch, Medikamenteneinnahmen, Niereninsuffizienz und verschiedenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen oft die Homocysteinwerte erhöht sind. Also könnte, nach Rücksprache mit dem Arzt, eine Supplementation sinnvoll sein. Bei Depressionen weiß man aus Studien, dass sehr häufig die Folatplasmawerte erniedrigt sind. Eine Supplementation verbessert die Symptomatik und kann gleichzeitig die Wirkung von Antidepressiva verbessern. Bezüglich der Empfehlung von Folsäuresupplementation und Krebs gibt es kontroverse Studienergebnisse. Einerseits scheinen Personen mit einem geringen Folatplasmawert von der Supplementation zu profitieren, um den Ausbruch zu verhindern. Die Datenlage ist allerdings viel zu übersichtlich für konkrete Empfehlungen. Andererseits könnte eine Folsäuresupplementation in hohen Dosierungen die Krebsprogression fördern. Denn Folsäure ist eben am Zellwachstum beteiligt. Daher kann ich hier keine konkrete und studienbasierte Krebs-Präventionsempfehlung geben. Was dennoch gewiss ist, eine ausgewogene Ernährung mit einem hohen Anteil an Gemüse (400 g pro Tag) wirkt positiv auf die körperliche Gesundheit.

Habe ich Dich damit inspiriert? Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen, ob Dir der Blog Appetit auf grünes Blattgemüse, Eier, Haferflocken, Leber, Kartoffeln und Hülsenfrüchte gemacht hat… In diesem Sinne bis zum nächsten Mal. *Hanna


P.S. Hast Du einen Wunsch für ein Blog-Thema? Let me know!


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